Der Oberste Gerichtshof (OGH) musste sich zuletzt mit der Rechtzeitigkeit der ärztlichen Aufklärung vor einer Magenbypass-Operation befassen und hielt in der Entscheidung 3 Ob 179/23d fest, dass die ärztliche Aufklärung einer Patientin am späten Nachmittag des Vortrages ihrer folgenschweren und nicht dringenden Magenbypass-Operation nicht ausreichend war.
Sachverhalt
Die damals adipöse Klägerin unterzog sich einer laparoskopischen Magenbypass-Operation. Hervorzuheben ist, dass die Klägerin aufgrund von ihr während der vorherigen monatelangen umfangreichen interdisziplinären Abklärung zwischen Chirurgie, Psychosomatik und Stoffwechselambulanz erteilten Informationen wusste, dass sich die Verdauung durch den Eingriff grundsätzlich ändern würde. Die Klägerin war grundsätzlich auch dazu bereit, damit verbundene Nachteile wie Blähungen, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen in Kauf zu nehmen. Die umfassende Aufklärung erhielt die Klägerin allerdings am späteren Nachmittag des Vortrages der Operation. Eine Ärztin ging den Aufklärungsbogen, der alle wesentlichen Informationen über mögliche Komplikationen sowie Folgebeschwerden beinhaltete, im Detail durch. Die Klägerin brachte im Verfahren allerdings vor, dass ihr in Folge der kurzfristigen Aufklärung die Verlegung oder gar die Unterlassung der Operation nicht mehr zumutbar gewesen ist und die Aufklärung daher nicht rechtzeitig erfolgt ist.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht korrigierte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, der Klägerin sei zum Zeitpunkt der Aufklärung das Verschieben oder gar Absagen der Operation nicht mehr zumutbar gewesen ist und die Aufklärung daher nicht rechtzeitig erfolgte, nicht. Dem Obersten Gerichtshof (OGH) zufolge ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht korrekturbedürftig, weshalb die außerordentliche Revision der unterlegenen Krankenanstalt zurückgewiesen wurde. Die Klägerin drang daher mit ihrem Schadenersatzbegehren aufgrund der nicht rechtzeitigen Aufklärung durch.
Bedeutung für die Praxis/Schlussfolgerungen
In Ausnahmefällen kann es sehr wohl zulässig sein, den Patienten erst kurz vor dem Eingriff aufzuklären. Gegenständlicher Fall konnte wegen der Schwere der hier erfolgten Operation respektive der mit ihr einhergehenden (oder drohenden Folgen) beispielsweise nicht mit einer „herkömmlichen“ Hüftoperation verglichen werden, bei der eine ärztliche Aufklärung im Einzelfall erst am Vortrag ausreichend sein mag (z.B. 7 Ob 64/11d).
Die ärztliche Aufklärung hat grundsätzlich so rechtzeitig zu erfolgen, dass Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt; deren Dauer hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Neben der Dringlichkeit der ärztlichen Behandlung ist auch die Schwere des geplanten Eingriffs für die Rechtzeitigkeit der Aufklärung entscheidend.